In diesem Beitrag möchte ich das operative Vorgehen bei einer kieferchirurgischen Weisheitszahnentfernung und die Gründe für diesen operativen Eingriff erläutern.
Was ist ein Weisheitszahn?
Der Weisheitszahn ist ein Zahn, der in der Wachstumsphase zuletzt angelegt wird und seine Entwicklung häufig erst im jungen Erwachsenenalter abschließt. Weisheitszähne gehören zu den Backenzähnen und liegen von der Kiefermitte als achter Zähne am weitesten hinten. Pro Kiefer hat ein erwachsener Mensch vier Schneidezähne, zwei Eckzähne, vier kleine und inklusive der Weisheitszähne sechs große Backenzähne.
Häufig können sich die Weisheitszähne nicht mit ausreichend Platz in den Kiefer einordnen, so dass sie partiell oder auch komplett im Kieferknochen eingeschlossen bleiben. Diese sogenannte „Retention” der Weisheitszähne kann zu diversen Problemen führen, die im Laufe der Entwicklung eine kieferchirurgische Zahnentfernung erforderlich machen. Mehr als Dreiviertel der europäischen Bevölkerung werden irgendwann mit diesem Thema konfrontiert, aus diesem Grund möchte ich hier ein paar Hilfestellungen geben.
Wie ist die Entscheidung zur operativen Weisheitszahnentfernung zu treffen?
Nach eingehender zahnärztlicher Untersuchung und der Anfertigung eines sogenannten Panoramaröntgenbildes kann eine gute Aussage zur Lage und möglichen Chance auf Einordnung der Weisheitszähne erstellt werden. Gegebenenfalls ist konsiliarisch auch die Vorstellung beim Kieferorthopäden sinnvoll. Bei extremer Verlagerung mit dichter Beziehung zum Unterkiefernerven (Nervus alveolaris inferior), oder bei ausgedehnten entzündlichen Prozessen kann die dreidimensionale Bildgebung angeraten sein.
Punkte, die bei der Entscheidungsfindung beachtet werden müssen, sind unter anderem der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten, das Vorliegen von krankhaften Veränderungen am Zahn oder Kiefer und das Abwägen des operativen Risikos für den Eingriff. Des Weiteren darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Weisheitszahn einen Ersatz für einen zerstörten oder fehlenden Backenzahn darstellen kann. Diesbezüglich sollte eine enge Absprache zwischen Zahnarzt, Kieferorthopäde und Kieferchirurg erfolgen.
Welche Problematik kann von einem Weisheitszahn ausgehen?
Aufgrund von entstehenden Schlupfwinkeln beim „Durchbruch” der Weisheitszähne kann es in diesem Bereich zur Einlagerung von Speiseresten und somit zur bakteriellen Besiedlung, lokalen Infektionen und fortschreitend auch zu schwereren Abszessen kommen. Eine Infektion wird häufig durch den unvollständigen Durchbruch oder eine Verlagerung (Kippung) des Weisheitszahnes begünstigt.
Große knöcherne Defekte können durch Zysten, die entwicklungsbedingt aus dem Umgebungsgewebe einer Zahnkrone entstehen, verursacht werden. In gleicher Weise kann auch der benachbarte Zahn oder sein Parodontium (Halteapparat) Schaden nehmen. Mögliche Folgen sind partielle, irreversible Resorptionen an den Wurzeln.
Bei Bildung von Schleimhautkapuzen und der dadurch bedingten Schlupfwinkel können sich interdental zwischen den Zähnen kariöse Läsionen bilden, die nur schwer diagnostizierbar und zugänglich sind.
Da ein verlagerter Weisheitszahn keine Stabilität für den Knochen bedeutet, kann es zu einer Begünstigung von Kieferfrakturen kommen. Wichtig ist dies gerade in Anbetracht der zunehmenden beliebten Risikosportarten.
Nicht zuletzt muss auch auf die zwar äußerst seltene, aber durchaus mögliche Entartung (gutartige oder bösartige Tumore) des Umgebungsgewebes bei Weisheitszähnen hingewiesen werden. Ausgeschlossen wird dies durch eine fachärztliche Untersuchung des Gewebes.
Mögliche Risiken bei der Weisheitszahnentfernung
Vor einer geplanten Weisheitszahnentfernung wird in einem Aufklärungsgespräch das allgemeine Risiko eines operativen Eingriffs, wie zum Beispiel Wundinfektion, Schwellung und Blutungsrisiko ausführlich erläutert. Neben diesen Risiken gibt es weitere typische Komplikationen, die unbedingt vor einer Entfernung der Weisheitszähne bedacht werden müssen.
An vorderster Stelle ist hier die Nervläsion des Unterkiefernerven (Nervus alveolaris inferior) oder des Zungennerven (Nervus lingualis) zu nennen. Der Unterkiefernerv versorgt neben den Zähnen und dem Zahnfleisch auch die Unterlippe mit Sensibilität. Der Zungennerv sorgt für einen Teil des Geschmacksempfindens sowie für das generelle Gefühl der Zunge. Bei beiden Nerven kann es iatrogen (durch den Arzt verursacht) zu Schädigungen mit resultierender Gefühlsstörung, wie z.B. Taubheitsgefühl oder Missempfinden kommen. In ganz seltenen Fällen können bleibende Läsionen auftreten. Für jeden individuellen Fall müssen hier die Risiken zwischen Arzt und Patient ausführlich besprochen und erläutert werden.
Nicht nur die Schlupfwinkelinfektion stellt ein Risiko für Infektionen dar, sondern auch die operative Zahnentfernung an sich kann zu schweren Abszessen und Knocheninfektionen führen. Im Oberkiefer ist durch eine eventuelle Perforation des Kieferhöhlenbodens eine Entzündung der Kieferhöhle (Sinusitis maxillaris) möglich.
Der verlagerte Weisheitszahn stellt, da er selbst nicht für Stabilität sorgen kann, im Kieferknochen eine Sollbruchstelle dar. Entlang des Parodontalspaltes, der den Zahn umgibt, kann es bei stark einwirkenden Kräften zu möglichen Kieferbrüchen beim Sport oder selten auch während der operativen Weisheitszahnentfernung kommen. Postoperativ besteht bei extremer Verlagerung noch bis zu sechs Wochen später die Gefahr eines Bruchs. Über das erforderliche Verhalten nach so einem Eingriff wird Sie Ihr Operateur ausführlich informieren.
Welche Indikationen sprechen für eine kieferchirurgische Entfernung der Weisheitszähne, welche sprechen eventuell auch dagegen?
Abhängig vom vorliegenden Befund muss eine individuelle Empfehlung für oder gegen einen operativen Eingriff vorgenommen werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse geben in der Fachliteratur Anhaltspunkte für diese Einschätzung vor.